Frivol, aber kein Herrenwitz: Viel Applaus für Robert Kreis in Rastede
Von Britta Lübbers
Kein Tusch, kein Trommelwirbel. Leise kommt Robert Kreis auf die Bühne, stellt sich neben den Flügel und beginnt. „So“, sagt er. Er sagt es mit sanftem S, denn er ist gebürtiger Niederländer. Mit ihm tritt eine Zeit herein, die ist 100 Jahre vergangen und glänzt noch immer. Robert Kreis ist ein Zwanziger-Jahre-Junkie. Auch an diesem Abend verkörpert er die Epoche stilsicher – vom gegelten Scheitel bis zu den polierten Schuhspitzen. Dieser blaukarierte Mann mit dem winzigen aufgemalten Menjou-Bärtchen ist von den Glitter-Bühnen der Roaring Twenties direkt in die Gegenwart gereist. „Ich freue mich, in der Weltmetropole Rastede zu sein“, begrüßt er sein gut aufgelegtes Publikum, das ihm von Beginn an willig durch alle Kalauer und Frivolitäten folgt. „Ich wünsche Ihnen ein long happy Life“, fügt er hinzu. Das kommt an.
Robert Kreis, Jahrgang 1949, ist seit Jahrzehnten auf Tournee. Durchschnittlich absolviere er 150 Auftritte im Jahr, rund 8000 seien es in der Summe, hat er ausgerechnet. Seinen ersten Auftritt im deutschen Fernsehen hatte er 1980 in der Kultsendung „Bios Bahnhof“. „Kennen Sie das noch? Ach, es müsste wieder mehr solcher Sendungen geben. Heutzutage liegt ja auf jedem Schneidetisch eine Leiche. Schrecklich ist das. Finden Sie nicht auch?“ Lacher und Applaus.
Während seiner Theaterausbildung habe er in Antiquariaten die Spuren vergessener jüdischer Künstler auf alten Schellackplatten gefunden, beschreibt Kreis den Anfang seiner Passion. Er war sofort angefixt. Vor ihm breitete sich eine humorgespickte und ungemein geistreiche Epoche aus. Es musste nur einer kommen und sie wiederbeleben. Dieser eine war er selbst. Seitdem surft er erfolgreich auf der Retrowelle. Das Liedgut und den Sprachwitz derer, die später ermordet oder in der Emigration vergessen wurden, serviert er als etwas Kostbares. Und er macht es gut. Kreis ist nicht nur ein leidenschaftlicher Entertainer, er ist auch ein virtuoser Klavierspieler. Inspiriert wurde er u.a. durch seine Großmutter, die Jazzpianistin und Leiterin einer Damenkapelle war.
„Mein Klavier in der Tat, ist mein bester Kamerad“, singt er jetzt in Rastede und erzählt, dass er seit 2008 in Berlin lebt. Er liebe die Berliner, vor allem ihren Witz und ihre stoische Gelassenheit. „Sie haben das Männeken mit dem Schnurrbart und dann die Honeckers überlebt. Was soll ihnen noch passieren?“ Auch die Niederländer mag er, schließlich kommt er selbst von dort. Leider seien sie sehr aufs Geld fixiert und oft geizig. „Wie wurde der Kupferdraht erfunden? Zwei Holländer stritten um einen Cent.“ Sagt’s, grinst und greift erneut in die Tasten. Diesmal ist es eine Ode an den Seitensprung. „Mein Bruder liebt Frauen, nur kann er nicht treu sein, sie muss immer neu sein.“ Lacher und Applaus.
Robert Kreis zündet einen Gag nach dem anderen, es geht um Schwiegermütter, gut gebaute Herren und um Damenunterwäsche – das könnte ins Auge gehen. Manches ist abgehangen. Doch Kreis ist kein personifizierter Herrenwitz. Das verhindern sein Charme und die Nostalgie. Political Correctness war vor 100 Jahren noch unbekannt und die Zensur den Reaktionären vorbehalten.
Also hinein in die rauchigen Etablissements, in denen alles möglich war. „Mann oder Frau, wer weiß es genau.“ Gar nicht so anders als heute, denkt man sich den Rauch einmal weg. Die Parallelen zwischen den 1920er Jahren und der Gegenwart seien verblüffend, meint Robert Kreis. Erschreckend sowieso. Krieg, Inflation, Wohnungsnot – aber ein schöner Tanz auf dem Vulkan. Noch ein Wortspiel gefällig? „Mit einer leichtsinnigen Frau möchte ich kein Abenteuer, dann wird der Abend teuer.“
Den Eintrittspreis war der Abend mit Robert Kreis aber ganz sicher wert.
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