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Wohnen mitten im Solarpark Kleibrok

Bettina und Karsten Wustlich erfuhren durch Zufall, dass ihr Zuhause zukünftig von PV-Anlagen umgeben sein könnte. Über das Bauvorhaben informiert hatte sie niemand.

Von Kathrin Janout

„Wir waren geschockt, als wir von dem Vorhaben erfuhren“, sagt Karsten Wustlich. Ein Bekannter hatte ihn darauf angesprochen, was um sein Haus herum passieren sollte. Es hatte in der Zeitung gestanden. Karsten Wustlich aber wusste von nichts. „Ich bin direkt zur Gemeinde gefahren, da hing tatsächlich der Plan aus“, berichtet er. Darauf eingezeichnet der Solarpark in Kleibrok – und mittendrin das Haus von Karsten Wustlich und seiner Frau. „Einmal komplett umzu sollen die Anlagen entstehen“, sagt Bettina Wustlich. Das Ehepaar müsste durch den Solarpark fahren, um zu ihrem Haus zu kommen. „Hat uns die Gemeinde denn nicht auf dem Schirm?“ Vielleicht haben sie gedacht, dass wäre nur ein Stallgebäude, überlegen die beiden. Dass jemandem bewusst gewesen sein soll, dass an dieser Stelle Menschen wohnen, und man dennoch solche Pläne mache, können die zwei eigentlich nicht glauben.

2014 haben die Wustlichs das Haus und das Grundstück am Strothweg gekauft. Ein Glücksgriff, wie sie sagen, sie wollten gern im Rasteder Außenbereich wohnen. Seit Jahren sind sie mit der Sanierung des alten Gebäudes beschäftigt. „Das Ganze hier haben wir als unsere Altersvorsorge gesehen“, sagen sie. „Aber das können wir uns abschminken, wenn der Solarpark so gebaut wird.“ Das Haus sei dann komplett eingekesselt und damit entwertet, glauben sie.

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Die roten Markierungen in der Grafik zeigen die Zufahrt und das Wohnhaus mitten im geplanten Solarpark | Grafik: Diekmann, Mosebach und Partner

Laut Beschluss aus dem Bauausschuss Ende September und dem Verwaltungsausschuss Mitte Oktober sollen insgesamt 42 Hektar Fläche nördlich des Strothwegs und südlich der Rehorner Bäke für Photovoltaik-Anlagen bereitgestellt werden. Die Flächen gehören dem Wahnbeker Landwirt Christian Meyer-Hullmann, er möchte hier einen Solarpark errichten. Das Verfahren befindet sich zurzeit in der öffentlichen Auslegung. 3,50 Meter hoch könnten die Anlagen werden. An drei Seiten grenzen die Flächen unmittelbar an das Grundstück der Wustlichs. Im Sommer seien wenigstens Blätter an den Bäumen, da würde die Sicht auf die Anlagen vielleicht verdeckt werden, glaubt das Paar. Im Winter aber gebe es keinerlei Sichtschutz. Das Gefühl, von PV-Anlagen umgeben zu sein, bliebe ohnehin dauerhaft bestehen. „Und wenn die Sonne im Tagesverlauf wandert, wie ist es dann mit der Spiegelung auf den Anlagen?“, fragt sich Bettina Wustlich. „Und wie ist es mit Fallwinden und der entstehenden Wärme? Was ist mit Elektrosmog? Wer garantiert uns, dass es nicht gesundheitsschädlich ist?“ Karsten und Bettina Wustlich haben viele Fragen. Vor allem aber würden sie gern wissen, warum weder der Investor noch die Gemeinde vorab mit ihnen gesprochen haben. „Es ist nicht Teil des Aufstellungsverfahrens, dass die Gemeinde von einem Bebauungsplan Betroffene aktiv kontaktiert“, heißt es von Seiten der Gemeinde auf Nachfrage unserer Zeitung. Dazu dienten die Bekanntmachungen, die auf der Website der Gemeinde und in der Tageszeitung veröffentlicht werden. Außerdem bestehe „im Verlauf dieses Verfahrens die Möglichkeit, Stellungnahmen zu den Planungen abzugeben, die dann in die Abwägung aller Belange einfließen“, schreibt Gemeindesprecher Karsten Tenbrink. „Zu gegebener Zeit informiert die Gemeinde alle, die eine Stellungnahme abgegeben haben, über das Ergebnis der Abwägung und den weiteren Verlauf des Verfahrens.“

Die ganze Sache sei ein Albtraum, sagen Bettina und Karsten Wustlich. Wie es nun weitergehen solle, wissen sie nicht. „Wir stecken in einer Zwickmühle“, so das Paar. „Das Haus verkaufen können wir nicht. Welche Auswirkungen es hat, von den Anlagen eingekesselt zu sein, wissen wir auch nicht.“ Und ob es sich jetzt noch lohne, die Sanierung weiter voranzutreiben, sei ebenfalls unklar. Die Kommunikation mit der Gemeinde haben die beiden an eine Anwältin abgegeben, erzählen sie. „Uns würde wahrscheinlich sowieso nur das Wort im Mund umgedreht werden.“ Auch unter den Betroffenen fühlen sich Karsten und Bettina Wustlich auf sich allein gestellt. Alle anderen hätten den Park nur auf einer Seite ihres Grundstücks. „Wir aber sind dann komplett eingezäunt.“

Es sei unverschämt, wie in diesem Verfahren mit ihnen umgegangen wurde, betonen die Wustlichs. „Man entwertet uns, und man tut so, als gäbe es uns gar nicht.“ Der Politik scheint diese Problematik bei der Entscheidung für den Solarpark nur teilweise bewusst gewesen zu sein. In der öffentlichen Sitzung des Bauausschusses wurde die besondere Betroffenheit nicht thematisiert. Einstimmig hatten die Fraktionen sich für das Vorhaben ausgesprochen, alle waren begeistert von dem großangelegten Projekt. „Uns war das als ideale Fläche kommuniziert worden“, sagt Evelyn Fisbeck (FDP) auf Nachfrage unserer Zeitung erstaunt. „Sogar als besonders verträglich verkauft, auch weil dem Investor die Fläche gehört.“ Susanne Lamers wundert sich ebenfalls, als sie von der Situation erfährt. Sie könne nicht verstehen, dass Betroffene im Vorfeld nicht informiert werden, kritisiert die CDU-Ratsfrau. Einzig Horst Segebade (SPD) sagt, er habe damit gerechnet, dass sich das Ehepaar Wustlich melden wird. „Die Flächenverhältnisse waren mir bekannt“, sagt er. „Optisch würden die Anwohner den Park aber gar nicht bemerken, weil er komplett eingegrünt wird“, glaubt Segebade. Außerdem stehe die genaue Umsetzung noch gar nicht fest, betont er. Die Wustlichs könnten das Gespräch mit den zuständigen Stellen suchen. „Für sie ist noch nicht Hopfen und Malz verloren.“