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Mit Ironie und Stahlblechen

„Der Kuss“ heißt die Skulptur, die Volker Bartsch heute vor dem Palaisgebäude aufgestellt hat. „Groß ist bei mir etwas Anderes“, sagt der Berliner Künstler zum Umfang dieser Plastik. Sein 9 x 8 x 12 Meter messendes Kunstwerk „Perspektiven“ vor der FU Berlin gilt als größte Bronzeskulptur Europas. Am Sonntag, 24. Januar, 11.15 Uhr, wird im Palais die Ausstellung „Gemeinsam einsam“ des äußerst Vielseitigen eröffnet.

Von Britta Lübbers

Rund 60 Werke hat Volker Bartsch nach Rastede mitgebracht, neben Skulpturen sind auch Malerei, Radierungen, Grafiken und eine Terrakotta-Arbeit darunter. „Es geht einmal durch mein Spektrum“, erklärt Bartsch. Die Skulptur im Palaisgarten stammt aus dem Jahr 1992, mindestens so lange schon beschäftigt sich der 62-Jährige mit dem Thema Einsamkeit. „Aber ich drücke nicht auf die Tränendrüse“, betont er. Es gebe ja auch ein selbst gewähltes Alleinsein. „Ich bin kein Moralist, ich betrachte mich als einen ironischen Chronisten.“ Auch Schönheit und Schönheitswahn sowie die Veränderung der Städte lassen den Künstler nicht los. Groß sind nicht nur viele seiner Arbeiten, groß ist auch der Bogen, den er inhaltlich schlägt.

Im dicken Wollpulli sitzt Volker Bartsch im mäßig warmen Palaissalon und erläutert, welche Ereignisse und Zeitströmungen in seine Werke einfließen. Da ist der Run auf die persönliche Freiheit, der aus der Achtundsechziger-Bewegung in die Siebziger Jahre überschwappte. Individualität war angesagt, aber auch Narzissmus, erläutert Bartsch. „In den Discos tanzten die Leute alleine vor den Spiegeln.“ Es gab freie Liebe, und dann gab es Aids. Durch den Tod eines Freundes setzte sich Bartsch auch künstlerisch schon früh mit dem Thema auseinander.

In Berlin-Mitte hatte er sein Atelier über dem legendären Club Kater Holzig. Hier beobachtete er, wie die Clubszene die Stadt veränderte, wie Feierwütige und Kreative zu ersten Vorboten der Gentrifizierung wurden.

Volker Bartsch hat an vielen Orten gelebt und gearbeitet. In den Siebzigern fuhr er sechs Monate mit dem Motorrad durch Nordafrika und betrieb Kunststudien in Tanger und Marrakesch. Er lebte in Portugal und London, in der Toskana und in Rom, wo er in der Villa von Frederico Fellini wohnte. In Japan widmete er sich traditionellen Tuschetechniken, in Italien studierte er die Malerei der Renaissance. In den Achtzigern beginnt er damit, sich Stahlbleche und Gussformen vom Schrottplatz zu holen. Parallel zu seinen Skulpturen fertigt er Zeichnungen, Gemälde und Gouachen an.

Volker Bartsch mag originelle Ausstellungsräume. Seine Präsentation „Fluch der Schönheit – von Botox-Horror bis Silikon-Desaster“ zeigte er in einem ehemaligen Frauengefängnis in Berlin. „Sterile weiße Wände als Hintergrund sind out“, sagt er. Das Palais Rastede, davon ist er überzeugt, ist ein spannender Rahmen für seine Kunst.